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Baustelle Kinderbetreuung: „Wir sind keine Tanten“
Fachkräftemangel, fehlende Wertschätzung, falsche Vorstellungen: Die Tiroler Berufsgruppenverbands-Obfrau Melanie Spangler erklärt die Mängel des elementaren Bildungsbereichs und ihre Folgen.
Warum ist ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung derzeit unrealistisch?
Melanie Spangler: Das Personal reicht schon für das bereits bestehende Angebot nicht aus. Ein quantitativer Ausbau würde in der aktuellen Situation zu einem enormen Qualitätsverlust führen.
Das Land fördert doch die Ausbildung für Elementarpädagogen?
Spangler: Ja, aber Österreich ist unter den OECD-Ländern eines der letzten, in denen die Ausbildung nicht rein auf tertiärem Niveau erfolgt. Absolventen der fünfjährigen berufsausbildenden höheren Schule mit Matura steigen oft gar nie in den Beruf ein.
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Pädagogen, die das Kolleg besucht haben, bleiben meist länger im Beruf. Woran liegt das?
Spangler: Die Ausbildung beginnt zu früh. Es braucht ausreichend Zeit und Reife, um sich mit den Aufgaben des Berufs – theoretisch und praktisch – auseinandersetzen zu können. Jugendliche haben bei Ausbildungsbeginn keine klare Vorstellung von ihren zukünftigen Arbeitsbedingungen, Verantwortungen und dem Verdienst.
Warum arbeiten Sie nicht mehr im Feld?
Spangler: Die Arbeit mit Kindern bereitet Freude, verlangt einem aber auch sehr viel ab. Zudem sind die Rahmenbedingungen, die fehlende Wertschätzung dem Berufsstand gegenüber und die geringe Bezahlung weitere wenig attraktive Faktoren. Ich setze mich daher im Rahmen des Berufsgruppenverbandes für Qualitätsverbesserungen und Imagepflege ein.
Was läuft falsch?
Spangler: Der elementare Bildungsbereich in Österreich ist von strukturellen Mängeln geprägt. Die Gruppengrößen und der Fachpersonal-KindSchlüssel sind nicht den wissenschaftlichen Standards entsprechend und Vorbereitungszeiten nicht ausreichend. Zudem wird die wertvolle Bildungsarbeit nicht so entlohnt, dass man mit dem Gehalt eine Familie ernähren könnte. Deswegen bleiben nur etwa 25 Prozent der Pädagogen in den Einrichtungen.
Trägt die fehlende Wertschätzung zum Fachkräftemangel bei?
Spangler: Definitiv. In Österreich sieht man Kinderkrippen, Kindergärten und Horte oft noch als reine Betreuungseinrichtungen. Das zeigt sich auch am immer noch präsenten Bild der „Tante“. Wir sind aber weder verwandt noch verschwägert mit den Kindern und passen nicht nur auf sie auf. Als ausgebildete Pädagogen haben wir einen gesetzlich verankerten Bildungsauftrag.
Welche Folgen haben die Mängel?
Spangler: In elementarpädagogischen Einrichtungen erlernen Kinder Basiskompetenzen für die spätere Schulbildung. Bildungsgerechtigkeit könnte durch hochwertige Elementarbildung wesentlich erhöht werden. Wegen der strukturellen Mängel können etwa Entwicklungsauffälligkeiten, die stetig zunehmen, oder sprachliche Defizite sehr oft nicht behoben werden. Was hier versäumt wird, rächt sich dann in der Schule doppelt.
Wie viele Kinder kommen auf eine pädagogische Fachkraft?
Spangler: Das kommt auf das Bundesland an. Tirol schneidet mit einem Betreuungsschlüssel von 1:20 für den Kindergarten im österreichischen Schnitt von 1:25 am besten ab, doch international hinken wir hinterher. In Schweden kommen auf eine Fachkraft nur sechs Kinder. Der ideale Schlüssel für das Krippenalter ist noch niedriger.
Sind unsere Elementarpädagogen ausgebrannt?
Spangler: Dass die Berufsgruppen inzwischen österreichweit auf die Straße gehen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren, spricht für sich. Stressfaktoren sind die Gruppengrößen, zunehmend wegen Überlastung ausfallendes Personal und Personalengpässe, weil kein neues Personal gefunden wird, häufig wechselnde Teams aufgrund von Kündigungen usw. Fehlende Ressourcen, wohin man schaut!
In der Steiermark ist der Personalengpass so gravierend, dass Einrichtungen Öffnungszeiten reduzieren oder ganz schließen mussten. Blüht das Szenario auch in Tirol?
Spangler: Die Situation ist noch nicht so prekär wie in der Steiermark, aber die Entwicklung geht in dieselbe Richtung, wenn die Politik nicht reagiert. In den nächsten Jahren kommt eine Pensionierungswelle auf uns zu. Zudem zieht die Aktion „Klasse Job“ Elementarpädagogen in die Volksschulen ab, wo mehr Prestige und Lohn warten. Nicht nur Pädagogen, Eltern und Kinder werden darunter leiden, sondern auch Arbeitgeber und somit die ganze Gesellschaft.
Was fordern Sie?
Spangler: Es ist unabdingbar, endlich richtungsweisende politische Entscheidungen zu treffen, damit sich die Rahmenbedingungen ändern. Es braucht bundesweit einheitliche Standards, die sicherstellen, dass alle Kinder in Österreich dieselben Bildungschancen haben.
Von Natascha Mair, erschienen am 26.11.2022 in der Tiroler Tageszeitung
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