Familienhilfe braucht Fachkräfte

Anlässlich des Fachkräftemangels in der Sozialpädagogischen Familienhilfe zeigt eine aktuelle Studie auf, wo bei den Arbeits- und Rahmenbedingungen Verbesserungsbedarf besteht.

Innsbruck – Depressionen, Jobverlust, ein Todesfall oder Verhaltensauffälligkeiten: Eltern geraten aus verschiedenen Gründen an ihre Grenzen, sodass das Wohl ihrer Kinder nicht mehr gewährleistet ist. Eine neue Studie zeigt, schreitet die Kinder- und Jugendhilfe (KiJu) ein, kommt es österreichweit in 23 Prozent der Fälle zu einer Unterbringung der Kinder außerhalb der Familie, etwa in einer Pflegefamilie oder einem Heim. 77 Prozent der Familien erhalten Unterstützung in Form der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH). In Tirol gibt es 15 Anbieter, die im Auftrag der KiJU SozialpädagogInnen in die betroffenen Familien schicken. „Es geht um ein jährliches Budget von knapp einer Milliarde Euro. Da sollte man wissen, ob die Wirkung passt“, sagen Guido Thaler und Wolfgang Hagleitner vom Innsbrucker Institut für Erziehungswissenschaften anlässlich ihres neuesten Forschungsprojekts.

Fachkräfte gesucht

Im Schnitt dauert die SPFH zwei bis drei Jahre. Sie gilt als günstigere, lebensnahe und vor allem präventive Hilfe. Und der Bedarf steigt. „Es werden laufend Fachkräfte gesucht, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden“, heißt es dazu aus dem Land. „Unsere Studie soll Wissen liefern, um Qualität zu gewährleisten und Fachkräfte zu finden und zu halten“, erklärt Hagleitner. Im Mittelpunkt des ersten Studienteils stehen die Rahmen- und Arbeitsbedingungen der Fachkräfte in der SPFH, da diese den zentralen Qualitätsfaktor für erfolgreiche Leistungserbringung darstellen. „Zufriedene Arbeitskräfte sind erfolgreiche Arbeitskräfte.“

Mäßige Entlohnung

Die Ergebnisse zeigen: Trotz hoher Fallzahlen und psychischer Belastungen sei die Arbeitszufriedenheit in der SPFH hoch, so die Experten. „Die meisten sehen ihre Arbeit als Berufung“, sagt Thaler. Kritisiert wird die verhältnismäßig schlechte Entlohnung, fehlende Karrieremöglichkeiten und die hohen Anforderungen an die Flexibilität. Als Arbeitszufriedenheit steigernd wirken Fortbildungs- und Austauschmöglichkeiten, flache Hierarchien und Autonomie. Es wirkt positiv, wenn die Führungskraft die professionelle Einschätzung der Fachkräfte unterstützt und gegebenenfalls mit dem Amt verhandelt. Wichtig für die Befragten sind Ressourcen wie Laptop, Diensthandy, deckende Fahrtkostenübernahme sowie finanzielle Mittel für Freizeitaktivitäten mit KlientInnen.


Der Bedarf an Familienhilfe dürfte in Zukunft weiter steigen.

Am Ende trägt die Fachkraft

Die Grunderkenntnis der Studie: „Am Ende trägt es die Fachkraft“, sagt Thaler. Einengende Vorgaben und Einsparungsmaßnahmen, die sich unter anderem in zu hohen Fallzahlen und schlechten Einschulungen zeigen, gefährden den Erfolg der SPFH und wirken sich auf die Attraktivität des Berufs aus. Zudem brauche es mehr auf das Tätigkeitsfeld zugeschnittene Ausbildungen, sagt Hagleitner. „Fachkräfte werden im Studium – meist Erziehungswissenschaften, Psychologie oder Soziale Arbeit – nicht ausreichend auf das Feld vorbereitet.“ Fortbildungen werden oft mangels Ressourcen nicht angeboten. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, brauche es duale Ausbildungswege und ein Gehalt, das auch ältere Arbeitskräfte anspreche. So hat das Land Tirol die Liste der als fachlich qualifiziert geltenden Berufsgruppen erweitert und eine Mitarbeit unter bestimmten Bedingungen auch vor Abschluss der Ausbildung ermöglicht.

Abschließend gibt Christina Lienhart vom Departement Soziale Arbeit am MCI zu denken: „Es wird zu viel auf die KiJu abgewälzt. Familien haben mit viel zu kämpfen – Erziehungshilfen sind zu wenig, wenn sie gleichzeitig nicht ausreichend Existenzmittel haben.“

Das Wichtigste aus dem Artikel: 

Herausforderungen für Familien: Eltern stoßen durch Depressionen, Jobverlust oder Todesfälle an ihre Grenzen, was das Wohl der Kinder gefährdet. In 23% der Fälle werden Kinder außerhalb der Familie untergebracht, 77% erhalten Unterstützung durch Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH).

Arbeitsbedingungen: Trotz hoher Fallzahlen und psychischer Belastungen ist die Arbeitszufriedenheit hoch. Kritik gibt es an schlechter Entlohnung, fehlenden Karrieremöglichkeiten und hohen Flexibilitätsanforderungen. Positiv wirken Fortbildungsmöglichkeiten, flache Hierarchien und Autonomie.

Ausbildung und Gehalt: Es braucht mehr auf das Tätigkeitsfeld zugeschnittene Ausbildungen und ein Gehalt, das auch ältere Arbeitskräfte anspricht. Das Land Tirol hat die Liste der qualifizierten Berufsgruppen erweitert und Mitarbeit unter bestimmten Bedingungen auch vor Abschluss der Ausbildung ermöglicht.

Von Natascha Mair, erschienen am 19.04.2025 in der Tiroler Tageszeitung

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