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Generation Teilzeit auf dem Chefsessel
Unternehmensberater Franz Kühmayer meint, es sei höchste Zeit, Führung in Teilzeit salonfähig zu machen.
Innsbruck – Franz Kühmayer gilt als einer der einflussreichsten Vordenker Europas. Er arbeitet als Trendforscher an internationalen Thinktanks, lehrt an mehreren Hochschulen und steht der Strategieberatung REFLECTIONS mit Sitz in Wien und Montreal vor.
Viele Junge wollen nicht mehr Vollzeit arbeiten. Ist das Phänomen Teilzeit auch in den Führungsetagen angekommen?
Franz Kühmayer: Nur rund 13 Prozent der Führungskräfte arbeiten in Teilzeit. Vielmehr ist noch immer ein überlanger Arbeitstag üblich: Nahezu ein Viertel der Führungskräfte arbeitet gewöhnlich mehr als 48 Stunden pro Woche. So gesehen wäre ja schon eine Normalarbeitszeit von 38 Stunden ein Teilzeitjob. Und je höher hinauf es in der Hierarchie geht, umso eher gilt nicht nur beim Gehalt, sondern auch bei den Arbeitsstunden: Wer bietet mehr.
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Wer nach oben will, muss leiden?
Kühmayer: Das heroische Führungsbild – der Chef ist immer und für alles da – sollte längst überwunden sein. Zum einen aus privaten und gesundheitlichen Gründen, zum anderen auch aus unternehmerischer Sicht. In unseren komplexen, wandelhaften Zeiten wird auch die beste Führungskraft nicht von sich behaupten können, Deutungshoheit über die Lage zu haben, und wenn sie noch soviel arbeitet.
Was raten Sie?
Kühmayer: Richtig wäre, sich nicht in operativen Dingen zu verzetteln, die Verantwortung im Unternehmen nicht an sich zu ziehen, sondern breit zu verteilen und vor allem zeitlichen und geistigen Freiraum für tatsächliche Strategiearbeit zu schaffen. Grundsätzlich ist es ein Anachronismus, Leistung nach Arbeitszeit zu beurteilen, ganz unabhängig vom Hierarchiegrad. Und gerade bei Führungskräften ist ergebnis- statt zeitorientierte Beurteilung leicht: Einzelne Aufgabengebiete lassen sich gut entflechten und daher auf mehrere Personen aufteilen. Die Verteilung der Verantwortung auf mehrere kann darüber hinaus auch die Vielfalt der Entscheidungswege steigern und damit zu besseren Ergebnissen führen.
Führung in Teilzeit zu etablieren, würde vor allem auch Aufstiegschancen für Frauen bedeuten.
Kühmayer: Definitiv. In Österreich machen fehlende flächendeckende Kinderbetreuung und ein tradiertes Rollenbild, das Familien- und Pflegearbeit Frauen zuschreibt, Teilzeit zu einem weiblichen Phänomen. Demgegenüber sind zwei von drei Führungspositionen in Österreich männlich besetzt. Dass Teilzeit bei Männern mehr wird, ist auch auf das veränderte Rollenbild von Mann und Frau in der Gesellschaft zurückzuführen. Dennoch sprechen wir weiterhin von einem Minderheitenprogramm: Jede zweite Frau, aber nur jeder siebte Mann in Österreich arbeitet in Teilzeit.
Nur rund 13 Prozent der Führungskräfte arbeiten in Teilzeit.
Was zeigt denn der Blick über die Staatsgrenze?
Kühmayer: Je progressiver eine Landeskultur, umso höher ist das Verständnis für Teilzeit-Führungsarbeit. So sind die gesellschaftlichen Normen in skandinavischen Ländern tendenziell egalitärer als in Österreich, Männer und Frauen sind gleichermaßen für Kinderbetreuung und Beruf verantwortlich. Das führt dazu, dass mehr Frauen in Vollzeit arbeiten, mehr Männer Karenzzeiten nehmen und Teilzeit auch auf Führungslevel häufiger ist.
Kann Österreich sich Teilzeit leisten?
Kühmayer: Die Unmöglichkeit der Arbeitszeitverkürzung bzw. der unmittelbar damit verknüpfte Untergang der Wirtschaft oder des Unternehmens wurden schon immer prophezeit, sind aber nie eingetreten. Warum sollten sie dann ausgerechnet jetzt eintreten, wo uns mehr technologische Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Arbeit flexibel zu gestalten, als je zuvor? Was dagegen spricht, sind vor allem Scheinargumente oder historische Vorurteile: Ein tradiertes Rollenbild, das ein hohes Arbeitspensum immer noch als Qualitätsnachweis für verantwortungsbewusste Führungsarbeit wahrnimmt; die Angst vor Statusverlust, aus eben genau diesem Grund; Bedenken, dass Mitarbeiter nicht in der Lage sein könnten, mit mehrstimmigen Führungsgremien umzugehen; und die Sorge, damit Unklarheiten in der Entscheidungsfindung zu erzeugen. Ich halte dagegen: Wenn diese Bedenken bei höchstqualifizierten Positionen nicht ausgeräumt werden können, wo dann?
Das Wichtigste aus dem Interview:
Teilzeit in Führungsetagen: Nur etwa 13 Prozent der Führungskräfte arbeiten in Teilzeit, während viele mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten.
Empfehlungen für Führungskräfte: Bedenken gegen Teilzeitführung seien unbegründet. Technologien sowie flexible Arbeitsgestaltung machen Führungspositionen in Teilzeitarbeit möglichen.
Aufstiegschancen für Frauen durch Teilzeitführung: Teilzeitführung kann helfen, Rollenbilder zu dekonstruieren und bietet Aufstiegsmöglichkeiten für Personen, welche z.B. aus familiären Gründen keine Möglichkeit besitzen, einen Vollzeitjob auszuüben.
Von Natascha Mair, erschienen am 16.11.2024 in der Tiroler Tageszeitung
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