Jobportrait: Historiker - Detektiv, Projektmanager und Lehrer in einem Beruf

Michael Span vergräbt sich nicht nur stundenlang in Stapeln von historischen Dokumenten. Der Historiker ist ein echtes Allroundtalent.

Innsbruck - Wird in den Supermärkten das Toilettenpapier knapp, so interessiert sich plötzlich alle Welt für die Geschichte der Rolle. "Meine Expertise ist viel gefragt und schlecht bezahlt", lacht Historiker Michael Span. "Während kaum jemand auf die Idee kommt, dass ein Handwerker gratis arbeitet, gehen die meisten Menschen davon aus, dass der Historiker sein Wissen für einen Kaffee zur Verfügung stellt", erläutert er.

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Historiker erwerben im Laufe ihrer Ausbildung vielseitig anwendbare Fähigkeiten. Da sei es auch kein Problem bei der Jobsuche, dass Stellenausschreibungen mit dem Inhalt "Historiker gesucht" rar gesät sind. "Historiker können gut recherchieren, sind textkompetent, können in der Regel gut vor Leuten sprechen und alte Schriften lesen. Außerdem haben wir sehr gute organisatorische Fähigkeiten und Erfahrung im Projektmanagement", zählt Span einige der Qualitäten seiner Berufsgruppe auf.

Der Stubaier selbst arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Innsbruck. Seit fast vier Jahren ist er Teil eines Projektes, das sich mit dem privaten Buchbesitz im katholischen Alpenraum des 18. Jahrhunderts befasst. Span und seine Kollegen suchen Belege für Buchbesitz in Quellen aus dem Pustertal und erstellen Datenbanken mit ihren Ergebnissen. Diese werden dann in wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht und bei Fachtagungen präsentiert. "Der Wert unserer Arbeit ist meist nicht unmittelbar messbar", wirft Span an dieser Stelle ein. Historiker versuchen, aktuelle gesellschaftliche Prozesse und Erscheinungen zu erklären, indem sie sich deren historische Entwicklung anschauen.

Neben Forschung und Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet Spans Arbeit außerdem ein gewisses Maß an Lehrtätigkeit an der Uni. Ein anderer relevanter Bestandteil seiner Tätigkeit ist organisatorischer Natur. Vor allem, wenn man im Nachwuchsbereich arbeite - zu dem man auch noch mit fast 40 gehört, wirft er grinsend ein -, nehme das Organisieren von neuen Projekten viel Zeit in Anspruch.

"Ich bin nicht fix angestellt, sondern arbeite immer nur ein paar Jahre an Projekten, die man zuerst einmal planen und beantragen muss", erklärt Span.

Zwar fände man als Historiker oft auch Anstellung in anderen Bildungseinrichtungen, Museen, Bibliotheken oder Archiven, jedoch sei dies aufgrund der fortschreitenden Diversifizierung der Sparten zunehmend schwierig. Trotz aller Hürden bereut der Tiroler seine Berufswahl nicht. "Es ist schon ein Privileg, wenn man beruflich seiner Leidenschaft nachgehen kann. Eine gewisse Unsicherheit ist eben ein Preis, den man dafür zahlen muss", sagt er. Die richtige Quelle in Tausenden von Seiten zu suchen, das sei für ihn wie Detektivarbeit, schwärmt Span.

Berufsportrait


Voraussetzungen: Interesse an Geschichte und gesellschaftlichen Prozessen, gutes Sitzfleisch, lange alleine arbeiten können, rhetorische Fähigkeiten, Organisationstalent.
Ausbildung: Studium der Geschichte an der Universität Innsbruck.

Von Natascha Mair, erschienen am 02.08.2020 in der Tiroler Tageszeitung

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