Unterforderung am Arbeitsplatz

Im Rahmen einer Recherche erfanden die beiden Autoren Philippe Rothlin und Peter Werder mit „Boreout“ den heute gebräuchlichen Begriff als Gegenstück zum Burnout.

Innsbruck – Im Interview spricht Peter Werder u. a. darüber, wie Unterforderung am Arbeitsplatz entstehen und Betroffene krank machen kann.

Sie gelten als Erfinder des Begriffs „Boreout“ – wie kam es dazu?

Peter Werder: Es begann 2005, als wir zu Recherchezwecken zum Thema „Überlastung am Arbeitsplatz“ forschten. Dabei ist uns aufgefallen, dass viele Menschen am Arbeitsplatz nicht ausgelastet sind. So ist die Definition Boreout entstanden. Es ist die Kombination aus Unterforderung, Desinteresse und Langeweile – begleitet von Verhaltensstrategien, dies alles zu verbergen und Beschäftigung vorzutäuschen.

Warum macht Boreout ebenso krank wie Burnout?

Werder: Es geht hierbei nicht nur um Unterforderung, die vielfach mit Langeweile gleichzusetzen ist, sondern um die falsche Kombination mehrerer Faktoren. So ist es für Mitarbeiter:innen unheimlich anstrengend, permanent vorzugeben, dass sie schwer beschäftigt sind. Es bedarf einer Verhaltensstrategie, um zu vertuschen, dass man nichts zu tun hat, und das kostet viel Energie.

Gibt es denn Berufe, die prädestiniert sind für ein Boreout?

Werder: Im Grunde sind in erster Linie bestimmte Berufe betroffen, in denen die Arbeit nicht direkt auffällt. Handwerker und Mediziner sind beispielsweise nicht betroffen, weil hier die nicht geleistete Arbeit direkt auffallen würde. Bei einem Chirurgen zum Beispiel, der den Patienten/die Patientin nicht operieren würde.

Welche Berufe sind hingegen oftmals mit Boreout verbunden?

Werder: Etwa Berufe im Verwaltungsbereich oder im Banken- und Versicherungssektor sowie andere Berufe, in denen niemand den direkten Arbeitscase kontrolliert und Mitarbeitenden die Möglichkeit eingeräumt wird, Arbeiten in die Länge zu ziehen. Boreout ist nur da, wo man so tun kann, als ob man arbeiten würde.

Welche konkreten Auswirkungen sind bei Boreout für die Arbeitnehmer:innen zu erwarten?

Werder: Die Auswirkungen sind dieselben wie bei Burnout und können von Müdigkeit, Lustlosigkeit, Gereiztheit und Frustration bis hin zu einer schweren Depression führen. Die Konsequenzen von Burnout und Boreout sind für Betroffene vergleichbar.


Boreout: Wenn Unterforderung am Arbeitsplatz krank macht.

Welche Alarmsignale gilt es zu beachten?

Werder: Betroffene entwickeln wie erwähnt eine Verhaltensstrategie, die sie am Leben hält. Sie tun praktisch so, als ob sie arbeiten. Das Problem dabei: Anfangs empfinden es viele als angenehm, wenig leisten zu müssen.

Wann zeichnet sich ein Boreout erstmals ab?

Werder: Gleich zu Beginn einer Tätigkeit oder erst nach Jahren? Meist beginnt das bereits in den ersten Arbeitswochen, wenn Betroffene merken, dass der Beruf nicht mit ihren Vorstellungen übereinstimmt. Oft werden Jobs in Stellenausschreibungen übertrieben dargestellt und klingen weitaus komplexer, als sie dann tatsächlich sind. Oftmals zeichnet sich diese qualitative und quantitative Unterforderung sehr bald ab. Eine quantitative Unterforderung entsteht beispielsweise dann, wenn der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin merkt, dass das in der Stellenanzeige angegebene Stundenausmaß im Job nicht notwendig bzw. zu hoch gegriffen ist. Mitarbeitende werden in ihrer Skepsis oftmals auch nicht ernst genommen.

Sie haben gesagt, bei Mitarbeiter:innen können die Konsequenzen im schlimmsten Fall bis hin zu einer schweren Depression führen. Welche Konsequenzen entstehen im Falle von Boreout für Unternehmen?

Werder: Die Konsequenz für den Betrieb ist dann eine fehlende Produktivität, wodurch ein großer betriebswirtschaftlicher Schaden entstehen kann. So empfiehlt es sich, die Auslastung der Mitarbeitenden genau zu beleuchten, beispielsweise ist für manche Positionen eine Anstellung mit einem geringeren Stundenausmaß ausreichend. Über den volkswirtschaftlichen Schaden gibt es viele Studien, die sich unter anderem auch in unserem Buch finden.

Interview geführt von Elisabeth Zangerl, erschienen am 28.06.2025 in der Tiroler Tageszeitung

Das Wichtigste aus dem Artikel: 

Begriff und Ursachen: Boreout beschreibt Unterforderung, Desinteresse und Langeweile am Arbeitsplatz, oft verbunden mit dem Bedürfnis, Beschäftigung vorzutäuschen.

Auswirkungen auf Arbeitnehmer:innen: Symptome sind Müdigkeit, Lustlosigkeit und Frustration, die bis zu schweren Depressionen führen können.

Unternehmenskonsequenzen: Boreout verringert die Produktivität und kann betriebswirtschaftlichen Schaden verursachen, weshalb eine Analyse der Mitarbeitenden-Auslastung wichtig ist.

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