Von der Kündigung bis zur Abfertigung

Arbeitsrechtsexperte Georg Humer erläutert, warum Kündigungen in den meisten Fällen nicht begründet werden müssen und was es mit der „Golden Handshake“-Vereinbarung auf sich hat.

Innsbruck – Kündigungen: Oft ein heikles Thema, das mit vielen Emotionen und Unsicherheiten verbunden ist. Doch wie sieht die rechtliche Lage in Österreich genau aus? Georg Humer, Leiter des Arbeitsrechts der Arbeiterkammer Tirol, gibt im Interview Einblicke.

Keine Begründung notwendig

Das österreichische Arbeitsrecht zeichne sich durch eine liberale Haltung gegenüber Kündigungen aus – sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Im Gegensatz zu Deutschland sei in Österreich im Regelfall keine Begründung für eine Kündigung erforderlich. Humer erläutert: „Arbeitnehmer können jederzeit kündigen, solange Fristen und Termine eingehalten werden.“ Arbeitgeber müssten ebenfalls keinen speziellen Grund für eine Kündigung angeben. Selbst wenn aus emotionalen Gründen eine Kündigung ausgesprochen wird, sei das in Österreich grundsätzlich legal. In Betrieben mit Betriebsrat müsse dieser vor einer Kündigung informiert werden und habe eine Woche Zeit, eine Stellungnahme abzugeben.

Seit dem 1. November vergangenen Jahres gebe es außerdem eine neue Regelung, die aufgrund der EU-Work-Life-Balance-Richtlinie eingeführt wurde. Diese besagt, dass in bestimmten Ausnahmefällen, wie bei der Inanspruchnahme einer Pflegefreistellung, eine schriftliche Begründung verlangt werden kann. „Arbeitnehmer haben das Recht, innerhalb von fünf Kalendertagen eine solche Begründung vom Arbeigeber zu fordern, und dieser muss innerhalb der gleichen Frist reagieren“, erklärt Humer. Er weist jedoch darauf hin, dass die tatsächliche Anwendung dieser Regelung noch unklar ist, da praktische Erfahrungswerte fehlen.

Fristgerechte Kündigungen

Ein häufiger Fehler von Arbeitgebern bestehe darin, Kündigungsfristen und Termine nicht korrekt einzuhalten. Eine Beratung im Falle einer Kündigung sei stets ratsam: „Es ist wichtig, festzustellen, ob eine Kündigung korrekt erfolgt ist und ob es sinnvoll ist, gegen sie vorzugehen“, betont der Arbeitsrechtsexperte. Die Arbeiterkammer biete hier umfassende Beratung und Unterstützung an – sei es durch die Prüfung der Kündigungsgründe oder durch die Vertretung vor Gericht.

Die Anfechtungsfrist für Kündigungen betrage – abgesehen von ein paar Ausnahmen – zwei Wochen, was eine schnelle Reaktion erforderlich mache. Aber auch wenn eine Kündigung nicht angefochten wird, sollten Arbeitnehmer überprüfen lassen, ob alle Ansprüche – wie die korrekte Einhaltung der Kündigungsfrist und die Endabrechnung – erfüllt wurden. Die Häufigkeit von Kündigungen hänge stark von den Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ab. „In Zeiten eines hohen Arbeitskräfteangebots waren ältere und teurere Arbeitnehmer häufiger von Kündigungen betroffen“, erklärt Humer. Heute seien Kündigungen dort am häufigsten, wo Ersatzkräfte leichter zu finden sind.


Was viele nicht wissen: In Österreich ist rechtlich keine Begründung für eine Kündigung erforderlich.
 

Alte und neue Abfertigung

Was die finanziellen Ansprüche nach einer Kündigung angeht, gebe es die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung, bei der sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen und der Arbeitnehmer eine finanzielle Entschädigung erhält. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitgeber ein Gerichtsverfahren vermeiden möchte. „Manchmal kommt es zu einer so genannten ‚Golden Handshake‘-Vereinbarung, bei der der Arbeitgeber eine Zahlung anbietet, um eine einvernehmliche Lösung zu erzielen“, so der Experte.

Zusätzlich gibt es in Österreich Abfertigungen: Wurde ein Arbeitsverhältnis vor 2003 begonnen, besteht Anspruch auf die so genannte „Abfertigung alt“. Diese wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber gezahlt. Für Arbeitsverhältnisse ab 2003 gilt das Modell der „Abfertigung neu“, bei dem der Arbeitgeber laufend 1,53 Prozent des Bruttogehalts in eine Vorsorgekasse einzahlt. Arbeitnehmer haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber oder bei einer einvernehmlichen Lösung Zugriff auf dieses Guthaben. Auch im Falle der Pensionierung wird das angesparte Geld ausgezahlt. „Früher erhielten Arbeitnehmer nur bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber eine Abfertigung, bei Eigenkündigung gingen sie leer aus. Mit dem neuen Modell bleibt das Geld auch bei Eigenkündigung erhalten, wird jedoch erst später ausgezahlt“, so Humer.

Die anfängliche Hoffnung, dass die Gelder in der Vorsorgekasse durch hohe Zinsen erheblich wachsen würden, habe sich aber nicht erfüllt. „Heute wissen wir, dass die Zinsgewinne minimal sind und die Verwaltungskosten einen nicht unerheblichen Teil des Zinsgewinns auffressen“, kritisiert Humer. Dennoch biete die Vorsorgekasse den Vorteil, dass das Geld nicht verloren geht und letztlich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung steht.

Das Wichtigste aus dem Artikel: 

Allgemeine Kündigungsregeln: ArbeitnehmerInnen können jederzeit kündigen, wenn Fristen eingehalten werden. ArbeitgeberInnen müssen ebenfalls keinen speziellen Grund für eine Kündigung angeben.

Korrekte Einhaltung der Kündigungsfristen: Eine Beratung bei der Arbeiterkammer ist ratsam, um die Korrektheit der Kündigung zu prüfen. Die Anfechtungsfrist beträgt in der Regel zwei Wochen.

„Abfertigung alt“ (Für Arbeitsverhältnisse mit Beginn vor 2003): Wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber gezahlt.

„Abfertigung neu“ (Für Arbeitsverhältnisse mit Beginn ab 2003): Der Arbeitgeber zahlt laufend 1,53 % des Bruttogehalts in eine Vorsorgekasse ein. ArbeitnehmerInnen haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber oder bei einer einvernehmlichen Lösung Zugriff auf dieses Guthaben. Auch im Falle der Pensionierung wird das angesparte Geld ausgezahlt.

Erschienen am 15.06.2024 in der Tiroler Tageszeitung

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