Von Erschöpfung bis Leistungsabfall

Immer mehr Menschen fühlen sich durch ihre Arbeit an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getrieben. Die hohe Zahl von Burnout-Fällen zeigt, wie dringend es ist, nicht nur auf Produktivität und Effizienz zu setzen.

Innsbruck – Die Häufigkeit von Burnout-Fällen hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zugenommen. Jürgen Glaser, Professor für Angewandte Psychologie an der Universität Innsbruck, verweist auf Statistiken, die zeigen, dass die Zahl der durch Burnout bedingten Arbeitsunfähigkeitsfälle in den letzten zwanzig Jahren um das Zwölffache gestiegen ist. Während Burnout noch nicht die Häufigkeit anderer psychischer Erkrankungen erreicht hat, betrifft es mittlerweile nahezu ein Prozent der Versicherten. Laut Glaser trägt nicht nur die zunehmende Sensibilisierung in der Ärzteschaft und Öffentlichkeit zur steigenden Diagnosehäufigkeit bei, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen. „Die Beschleunigung und Intensivierung der Arbeitswelt sowie wirtschaftlicher Druck sind zentrale Faktoren, die die Entstehung von Burnout begünstigen“, so der Experte. Gerade in Berufen mit hoher Verantwortung und engem Kontakt zu Menschen, wie in der Pflege, im Bildungsbereich oder in Führungspositionen, sei die Belastung besonders hoch. Glaser führt dies auf den hohen Zeitdruck, mangelnde Unterstützung und spezifische emotionale Anforderungen in diesen Berufen zurück. „Die Regulierung eigener und fremder Emotionen zehrt besonders an den Betroffenen“, betont er.

Symptome

Burnout ist durch eine Kombination verschiedener Symptome gekennzeichnet, die weit über einfache Müdigkeit hinausgehen. „Das Hauptmerkmal ist die Erschöpfung – sowohl körperlich als auch psychisch“, erklärt Glaser. Weitere zentrale Anzeichen sind ein massiver Energieverlust, ein Widerwillen gegen die Arbeit sowie eine deutliche Resignation. Betroffene verlieren nicht nur den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit, sondern zeigen oft auch einen signifikanten Leistungsabfall.

Neuere Forschung unterscheidet dabei zwischen kognitiven und emotionalen Beeinträchtigungen. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme treten ebenso auf wie Schwierigkeiten, Emotionen zu regulieren. Häufig gesellen sich psychosomatische Beschwerden hinzu, die von Kopf- oder Rückenschmerzen bis zu allgemeinen Stresssymptomen reichen. Laut Glaser können sich die Symptome je nach Person unterschiedlich stark äußern, was die Diagnose erschwert.

Burnout und Depression

Obwohl Burnout und Depression ähnliche Symptome teilen, handelt es sich um unterschiedliche Erkrankungen. Während Depressionen oft alle Lebensbereiche betreffen, ist Burnout hauptsächlich arbeitsbezogen. „Burnout-Patient:innen können in frühen Stadien oft noch Freude an nicht-beruflichen Aktivitäten empfinden“, erläutert Glaser. Allerdings können sich die Beschwerden bei fortschreitendem Burnout auf das gesamte Leben ausweiten und bis zu suizidalen Gedanken führen.


Berufe mit hoher Verantwortung und intensiver emotionaler Belastung gehören zu den am stärksten gefährdeten Gruppen für Burnout.
 

Prävention

Die gesteigerte Aufmerksamkeit für Burnout hat auch in der Arbeitswelt zu Veränderungen geführt. Unternehmen integrieren Burnout-Themen zunehmend in Mitarbeiterbefragungen und setzen auf psychologische Belastungsbeurteilungen am Arbeitsplatz. Auch so genannte Employee-Assistance-Programme, die Unterstützung bei gesundheitlichen und persönlichen Problemen bieten, sind eine wichtige Maßnahme.

Individuell können Betroffene durch Stressbewältigungsstrategien vorbeugen. Glaser verweist auf die Wirksamkeit von Achtsamkeitstraining, regelmäßiger Bewegung und ausreichendem Schlaf. „Wichtig ist vor allem, sich ausreichend zu erholen und klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen“, rät der Experte.

Langfristige Lösungen zur Reduzierung von Burnout erfordern gesellschaftliche und betriebliche Veränderungen. Ein Ansatz, der zunehmend diskutiert wird, ist die Einführung der Vier-Tage-Woche. „Ein zusätzlicher freier Tag kann helfen, den nötigen Ausgleich und Erholung zu finden“, sagt Glaser. Allerdings betont er, dass eine solche Maßnahme nur dann effektiv ist, wenn die Arbeitsbelastung nicht unverhältnismäßig auf die verbleibenden Arbeitstage verdichtet wird.

Darüber hinaus spielen gute Führung, funktionierende Teams und soziale Unterstützung eine wichtige Rolle. Auch eine gesellschaftliche Neubewertung von Leistung und Rendite hin zu mehr Wertschätzung zwischenmenschlicher und sozialer Bedürfnisse sei entscheidend.

Das Wichtigste aus dem Artikel: 

Anstieg der Burnout-Fälle: Gesellschaftliche Veränderungen wie die Beschleunigung der Arbeitswelt und wirtschaftlicher Druck begünstigen Burnout. Besonders betroffen sind Berufe mit hoher Verantwortung und engem Kontakt zu Menschen, wie Pflege und Bildung.

Symptome: Burnout äußert sich in körperlicher und psychischer Erschöpfung, Energieverlust und Resignation.

Prävention und Lösungsansätze: Individuelle Maßnahmen wie Achtsamkeitstraining, Bewegung und klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind wichtig.

Von Natalie Hagleitner, erschienen am 18.01.2025 in der Tiroler Tageszeitung

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