Wenn der Empfang kühl ausfällt

Österreicherinnen und Österreicher seien unfreundlich zu Zugezogenen, heißt es im Expat-Ranking. Wir haben Menschen, die zum Arbeiten nach Tirol gekommen sind, nach ihren Erfahrungen gefragt.

Innsbruck – Wer sich im Ausland möglichst willkommen fühlen will, der siedle nach Costa Rica oder Indonesien. Auch mit Mexiko mache man nichts falsch, sagt zumindest das heurige Expat-Ranking. Durchgeführt wird diese Befragung jedes Jahr von der Plattform InterNations, auf der sich Expats, also Menschen, die im Ausland leben und arbeiten, vernetzen können. Heuer haben über 12.000 Expats von 175 Nationalitäten rund 53 Staaten bewertet. Zum einen wird die Lebensqualität abgefragt. Hier thront Österreich auf dem zweiten von 53 Plätzen. Zum anderen wird das Arbeitsleben samt Bezahlung benotet. Auch hier ist Österreich unter den Top 10. Das große Aber: Geht es um die Freundlichkeit der Einheimischen, belegt Österreich den unrühmlichen vorletzten Platz. Anscheinend sind die Einwohner nur in Kuwait unfreundlicher. Ähnlich unsympathisch geht es laut Ranking in Tschechien (51.), Norwegen (50.) und Deutschland (49.) zu. Repräsentativ ist diese Umfrage nicht, in Österreich kann von gut 100 Teilnehmern ausgegangen werden. Dass Österreich in Bezug auf Freundlichkeit aber über Jahre nicht von den hinteren Plätzen weg kommt, sagt dann aber doch etwas aus. Welche Erfahrungen haben Expats in Tirol gemacht?

Einsamkeit und Dialekt

Laura (Name geändert) aus Süditalien ist vor fünf Jahren für einen Job in einem Medizintechnikunternehmen nach Innsbruck gezogen. Dass Österreich in besagtem Ranking derart schlecht abschneidet, wundert sie gar nicht: „Ich habe bisher noch keine Tiroler Freunde gefunden“, verrät sie in einem auf Englisch geführten Interview, „obwohl mein Freund Einheimischer ist, ist es schwierig.“ Als Hauptproblem sieht sie die Sprachbarriere: „Im Privaten will kaum jemand Hochdeutsch oder Englisch sprechen. Beim Dialekt komme ich nicht mit, aber das scheint egal zu sein.“ Diese Erfahrung ähnelt zahlreichen Schilderungen, die auf Nachfrage in einer Facebookgruppe für Innsbrucker Expats geteilt werden. Eine Slowenin, die ebenfalls zum Arbeiten hergekommen ist, schreibt: „Ich liebe alles hier, aber die Einheimischen sind so verschlossen. Tiroler finden es komisch, wenn man offen auf Leute zugeht, kommt mir vor.“ Kurz und knapp tippt eine Brasilianerin: „Zehn Monate hier, keine Freunde.“ Eine Landsfrau aus São Paulo erzählt, ihr Job in einem Start-up habe es leichter gemacht, Menschen kennen zu lernen, trotzdem „sind 90 Prozent meiner Bekannten hier Zugezogene“. Bei Tirolerinnen und Tirolern dauere es lange, bis sie eine engere Verbindung zulassen. Die meisten hätten bereits Freundschaften, die seit der Kindheit bestehen, und bräuchten einfach keine neuen Leute, so der Eindruck vieler. Ähnliches vermutet auch eine Russin, die heute in Imst lebt: „Die Einheimischen bleiben gern in ihren Gruppen. Wenn man ein Arbeitskollege ist, sieht man sich auf der Arbeit und das war’s.“

Rüffel im Supermarkt

Als direkt unsympathisch nehmen die meisten Expats die Tiroler aber nicht wahr: Eher sprechen sie von „reserviert“ oder „verschlossen“. Wobei: Unfreundlichkeiten würden den Einheimischen schneller über die Lippen kommen als andernorts, meint Nick aus den USA, der vor zehn Jahren hergekommen ist. „Vor Kurzem ist beim Einkaufen der Haltegriff von meinem Sechsertragerl gerissen und die Verkäuferin zischte nur: ‚Nächstes Mal nimmst ein Wagerl‘, obwohl ich mich entschuldigt habe“, erzählt er. Diese „standardmäßige Grobheit“, wie er es nennt, gebe es in den USA nicht. Die Tiroler in seinem Umfeld seien allerdings „die nettesten Leute, wenn sie dich erst näher an sich heranlassen“. Vor allem von der Dorfgemeinschaft in Terfens, wo er heute lebt, ist er begeistert: „So einen Zusammenhalt kenne ich von meiner Heimat Minnesota nicht.“ Gegenteilige Erzählungen, in denen Zugezogene die Tiroler als „auch nicht schwieriger zugänglich als andere Leute“ bezeichnen oder in denen es keine Probleme gab, Anschluss zu finden, gibt es natürlich. Aber sie sind klar in der Unterzahl.

Ein Kanadier mutmaßt in seinem Beitrag: „Wien zieht Österreich in diesem Ranking nach unten.“ Geht man nach den Zahlen, wirken aber offenbar weder der Wiener Grant noch die Tiroler Ruppigkeit auf Zugezogene besonders nett.

Das Wichtigste aus dem Artikel: 

Österreich belegt zwar einen hohen Rang bei Lebensqualität und Arbeitsbedingungen, landet aber fast am Ende bei der Freundlichkeit der Einheimischen.

Die meisten Zugezogenen empfinden TirolerInnen nicht als unfreundlich, sondern eher als zurückhaltend. Es sei dennoch oft schwer, lokale Freundschaften zu schließen, da viele soziale Kreise bereits seit der Kindheit bestehen.

Sprachbarrieren, besonders der Tiroler Dialekt, stellen für viele Zugezogene ein großes Problem dar.

Von Nina Schrott, erschienen am 24.08.2024 in der Tiroler Tageszeitung

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