Widersprüche aktiv kommunizieren

Die heutige Führungswelt ist geprägt von Widersprüchen und gegensätzlichen Herausforderungen.Führungswirksamkeit erfordert daher ein aktives Managen von Widersprüchen.

Innsbruck – In der modernen Arbeitswelt stehen Führungskräfte vor vielen, oft widersprüchlichen Herausforderungen. Die Erwartungen der Mitarbeiter, Marktanforderungen und interne Prozesse stehen häufig im Widerspruch zueinander. Ein effektives Management dieser Widersprüche ist entscheidend für die Führungswirksamkeit. „Führungskräfte müssen lernen, mit Widersprüchen zu leben und sie aktiv zu managen, um ihre Wirksamkeit zu steigern“, erklärt Unternehmensberater Clemens Schmoll.

Das gängige Bild des Managers basiere auf einem Managementverständnis, alles im Griff zu haben und Eindeutigkeit zu vermitteln. Doch dies sei oft eine Illusion. Ziele würden von oben deklariert, aber in der Praxis würden Widersprüche selten aufgelöst. Ein Ziel wie „Wir stellen den Kun den in den Mittelpunkt“ klinge gut, lasse aber keine konkreten Handlungen zu und führe zu Unklarheiten und Konflikten. Gute Kennzahlen zeigen diese Widersprüche auf. So ist eine Kennzahl rund um Kundenzufriedenheit immer nur die halbe Wahrheit. Im gleichen Moment gehört die Kennzahl rund um Prozesskosten und Rentabilität dargestellt. Dabei sind für die jeweiligen Kennzahlen unterschiedliche Bereiche oder Personen verantwortlich. „Ein ungelöster Widerspruch kann wie ein Krebsgeschwür im Unternehmen wirken und die gesamte Organisation schwächen“, betont Schmoll.

Vision und Realitätssinn

Attraktive Führungskräfte haben eine Vision und kommunizieren diese, so Schmoll. Dies wirke als interne Triebfeder und Motivationsquelle für Mitarbeiter. Gebe die Führungskraft aber keine Antworten darauf, welche notwendigen Schritte gesetzt werden müssen und wie Stolpersteine auf dem Weg bearbeitet werden können, dann wirke die Vision wie Traumtänzerei und die Führungskraft verliert ihre Mitarbeiter. Der Realitätssinn zeige den Mitarbeitern, dass die Führungskraft die Situation des Unternehmens versteht. Realitätssinn darf aber nicht dazu führen, dass keine kraftvollen Schritte gesetzt werden. „Wir können manchmal beobachten, dass durch Realitätssinn jeder Gestaltungswille verloren geht und Führungskräfte sich vom Hier und Jetzt erschlagen fühlen“, betont Schmoll. Damit wirken sie gegenüber den Mitarbeitern nicht attraktiv.

Führungskräfte: Widersprüche managen und Visionen für nachhaltigen Erfolg kommunizieren.

Widerspruch zwischen „Ich“ und „Wir“

Führungskräfte müssen in der Lage sein, allein zu stehen, um Qualitätsthemen klar zu adressieren und Leistungsthemen eindeutig anzusprechen, so Schmoll. Gleichzeitig müssen sie Teil des Teams sein, um Mitarbeiter und Teams zu Höchstleistungen zu befähigen. Dies erfordere eine passende Verbindung zum Team. „Ist man zu nahe und emotional zu sehr abhängig, geht der kritische Funke verloren, der oft die Keimzelle der Weiterentwicklung ist“, meint Schmoll. Führungskräfte seien dann besonders wirksam, wenn sie diesen Gegensatz gut steuern. Steht man zu sehr für sich allein, verliert man das Team. "Die Führungskraft wird vielleicht als unangenehm empfunden, aber jeder weiß, dass sie das Herz am rechten Fleck hat, somit kann der Anspruch entsprechend hoch sein“, erläutert Schmoll. Diese Widersprüche zu verstehen und zu meistern, sei entscheidend für die Führungswirksamkeit und die Weiterentwicklung der Leadership-Kompetenz.

Ableitung auf die Unternehmenssteuerung

Das Widerspruchsmanagement sei nicht nur auf der individuellen Ebene wichtig, sondern auch auf der Unternehmensebene. Die passende Funktion von Teamarbeit, insbesondere in Führungsteams, sei entscheidend. Arbeit in Führungsteams soll Freude machen aber dies darf nicht naiv gesehen werden. Ein Großteil der Zeit wird dem Ausmanagen von unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen dienen. Führungsteams, die sich bewusst sind, dass dies ihr Kernauftrag ist, agieren wirkungsvoller. "Sie kommunizieren klarer gegenüber ihren Teams und lösen Konflikte auf", meint Schmoll.

Widersprüche aktiv zu kommunizieren zeige, dass sich das Management damit auseinandersetzt. Dies stärke oft das Vertrauen und die Akzeptanz seitens der Mitarbeiter. "Wir konnten öfters beobachten, dass dann auch die Akzeptanz für unangenehme Maßnahmen steigt", erläutert Schmoll. Es würden harte Schnitte mit dem attraktiven Zukunftsbild verbunden. Damit erschienen auch im Moment nicht nachvollziehbare Maßnahmen im Gesamtkontext schlüssig.

"Effektives Widerspruchsmanagement ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Führung und einem starken Unternehmen", so Schmoll abschließend.

Erschienen am 05.07.2025 in der Tiroler Tageszeitung