Individuell statt mit der Gießkanne

Gegen den Personalmangel: Der Landecker Personalberater Markus Noppeney erklärt, welchen Stellenwert Mitarbeitermarketing für Unternehmen hat – und warum so manche Maßnahme ins Leere läuft.

Bei der Suche nach neuen Beschäftigten gehen Tiroler Unternehmen zunehmend neue Wege im Mitarbeitermarketing.

Was lange Zeit als „Fachkräftemangel“ tituliert wurde, ist mittlerweile zum allgemeinen „Mitarbeitermangel“ geworden, der sich quer durch alle Branchen zieht. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Markus Noppeney: Die Welt ist spürbar kleiner geworden. Heute gehen die jungen, oft sehr gut ausgebildeten Arbeitskräfte nach ihrer Lehrzeit erst mal in die Hotspots der Welt. Hierzu gehören eindeutig London, New York, Australien, Neuseeland, Dubai und Thailand, aber leider nicht Tirol. Die Mangelsituation wird zusätzlich durch den demographischen Wandel verschärft. Die Work-LifeBalance und New Work sind der dritte große Faktor, der den allgemeinen Mitarbeitermangel beschleunigt. Neben regionalen Einschränkungen wirken diese gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre nun direkt auf den Arbeitsmarkt. Hinzu kommt, dass es Unternehmen in ihrer Rolle als Arbeitgeber nur schwer schaffen, sich als vertrauenswürdig oder sinnstiftend zu präsentieren. Obwohl Werteorientierung in der Arbeitswelt schon seit ca. sechs Jahren ein großes Thema ist, findet sie in der täglichen Arbeit wenig Beachtung. Bewahren statt erneuern scheint ein immerwährender Reflex zu sein. Die Beurteilung in den sozialen Medien sieht entsprechend aus. Und viele Bewerberinnen und Bewerber informieren sich über das Unternehmen, bevor sie sich bewerben – oder eben nicht.

Mitarbeitermarketing wird immer wichtiger für Unternehmen – welche Maßnahmen haben aus Ihrer Sicht Sinn?

Noppeney: Der Effekt von Unternehmensmarketing ist, Mitarbeiter zu lukrieren und dies scheitert oft daran, dass Unternehmen die falsche Zielgruppe ansprechen und selbst oft nicht wissen, wen sie suchen und somit die Marketingmaßnahmen ins Leere verlaufen. Mein Tipp würde lauten, dass es nicht sinnvoll ist, Benefits im Gießkannenprinzip zu verteilen, sondern individuell auf die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen einzugehen.

Sind Mitarbeitermarketing und Employer Branding aus Ihrer Sicht eng miteinander verknüpft?

Noppeney: Unbedingt! Dass Unternehmen sich heute um Mitarbeiter bewerben müssen, ist in der Wirtschaft angekommen. Es ist aber nicht genug, sein Unternehmen mit einer modernen Website zu präsentieren, die Benefits wie Obstkörbe, Essenszuschüsse und die Möglichkeit zum remote Arbeiten in coolen Bildern darstellt. Echtes Employer Branding kann nur dann abgebildet werden, wenn die Unternehmen sich über ihre Werte und Haltungen im Klaren sind. Es ist genauso wichtig, bei der Organisation eines Unternehmens jene Strukturen zu schaffen, die das Wellbeing aller berücksichtigt, genauso wie die über allem schwebenden Umsatzziele. Diese Haltungen sind es letztlich, die aus einem Unternehmen eine Marke werden lassen – nicht die klinisch saubere Außendarstellung im Netz.

„Dass Unternehmen sich heute um Mitarbeiter bewerben müssen, ist in der Wirtschaft angekommen.“

- Markus Noppeney (Geschäftsführer BBO – Büro für Bildung und Organisationsentwicklung)

Was könnte aus Ihrer Sicht von politischer Seite getan werden, um dem allgemeinen Mitarbeitermangel entgegenzuwirken?

Noppeney: Neben schnell wirkenden Maßnahmen wie Öffnung des Arbeitsmarkts für Drittländer ist generell die Aus- und Weiterbildung völlig neu zu gestalten. Ausgehend von einer Grundbildung muss es als Ergänzung zur Berufsausbildung eine Weiterbildungsschiene geben. Lernende jeden Alters und die Betriebe müssen die Chance haben, die Kompetenz zu erlangen, die explizit für die jeweilige Anforderung notwendig ist. Weiterbildung muss sich dann natürlich auch auf die Entlohnung spürbar auswirken.

In Ihrem Unternehmen BBO haben Sie Ihr Angebot um den Bereich Arbeitskräfteüberlassung, also Leiharbeit, erweitert. Warum?

Noppeney: Arbeitskräfteüberlassung ist ein ergänzendes, sehr vorteilhaftes Angebot an die Unternehmen, nicht nur um Auftragsspitzen abdecken zu können. Dadurch, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht im eigenen Unternehmen angestellt sind und die Risikobereiche eines Arbeitsverhältnisses beim Überlasser liegen, ist dies letztlich eine günstige Variante, die zeitlich notwendige Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Besonders in den letzten zwei Jahren ist jedoch eine deutliche Reduzierung der Überlassungsdauer zu spüren. Unser Angebot wird nur noch dann in Anspruch genommen, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Auch der Verbleib im Beschäftigerbtrieb ist stark verkürzt. Dies ist zumindest im Baugewerbe bemerkbar; bisher unser größter Überlassungsbereich. Ich denke, dass die Baubranche im Jahr 2023 immer weniger auf Leiharbeiter zurückgreifen wird, da große Umsatzeinbrüche vorausgesagt werden.

Von Elisabeth Zangerl, erschienen am 01.04.2023 in der Tiroler Tageszeitung

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